In der dritten Ausstellung von ORAcle zeigte Ugo Dossi in seinem Atelier im WERK3 Videoarbeiten der beiden koreanischen Künstler Hyon-Soo Kim und Hisuk Chai. Hyon-Soo Kim ist uns von der whiteBOX her keine Unbekannte. Der Kontakt zu Ugo Dossi dürfte sich spätestens intensiviert haben seit Begegnungen im „Fondazione il Giradino di Daniel Spoerri, Seggiano, Italien“, dort wo Ugo Dossi auch mit Giampaolo di Cocco arbeitete, der die Reihe ORAcle mit „Nachstunden“ Ende April dieses Jahres eröffnete. In der alten whiteBOX, zu Zeiten der Kultfabrik, war Hyon-Soo Kim eine der Mitwirkenden bei „all about…Korea“ (2006). Beide Künstler trafen sich im Rahmen eines Arbeitsstipendiums der „Foundation Artaud“ auf der Insel Anjwado, Sinan County, in der Provinz South Jeolla, dem Geburtsort von Kim Whan-ki (1913–1974), der als der Begründer der abstrakten koreanischen Malerei gilt. Die Stationen der künstlerischen Entwicklung von Kim Whan-ki laufen von Tokyo über Seoul, Paris nach New York, wo 1970 die Arbeit „Where and in What Form Are We to Meet Again?“ entstand.
Die seriell skriptoral gehaltene Aneinanderreihung der minimal differierenden „Dots“ darin nimmt Hyon-Soo Kim zum Anlaß den meditativen Sermon über Wasserstrudel, Gischt, Seeluft und Insellandschaft zu legen. Dazu braust das Wasser und Schiffsdiesel oder Turbinen mit einer hohen Frequenz bilden den Soundtrack. Wie oft in asiatischen Betrachtungen der Natur scheint die Natur nichts von dem zu wissen, der sie betrachtet oder von ihr erbaut ist. Die numinose Schönheit hat nichts übrig für Gefühle, den menschlichen Blick.
Zumindest das sagt auch der Textschleier von Kim Whan-ki. Die Natur ist nicht Spiegel der menschlichen Seele, so wie das unsere europäischen Alchemisten dachten oder anders herum, unsere Vorstellung der menschlichen Seele entspricht nicht ihrer Natur. Es mag am ehesten die Leere der Meditation etwas Nichtsprachliches darüber aussagen. Die Welt ist eben alles, was der Fall ist – ohne Rücksicht auf Bedeutung. Gegenüber dieser vordergründig sehr ruhigen Arbeit lässt Hisuk Chai einen Bildersturm los. In „Song of Light“ verschränken sich sechs Millionen Einzelbilder in multipler Kombination ineinander, sind so schnell anderander gereiht, dass sie selbst fast in Bewegung verschmelzen, aber gerade noch einzeln gesehen werden können. Beispiel: 25 Einzelbilder pro Sekunde verschmelzen beim Menschen zum Eindruck der fließenden Bewegung. Hunde sehen da noch die einzelnen Bilder und ein Kampffisch schläft bei so einem langweiligen Diavortrag ein. Wir sehen also durchaus sehr verschieden.
Hinzu kommt, dass Hisuk Chai die verschiedenen Motive zwischen Positiv und Negativ hin und der springen lässt. Vieles sieht aus wie eine Mischung aus beidem, was beim sogenannten Solarisieren entsteht. Stadtsilhouetten, Frauenkörper, koreanische Keramik, Gitter, Dots, Schmetterlinge. Immer wieder blitzt ein Degas-Motiv auf, war da die Venus von Botticelli, eine Ecke von Seurat, eine Frauenbrust? Oder waren das Nachbilder, subliminale Assoziationen des eigenen Hirns, das sich unter dem Dauerfeuer der Bilder selbständig macht? Man sollte nicht fragen. Hisuk Chai würde als Antwort auch nur höflich lachen. Man ist gut beraten seine innere Kommentarfunktion abzulegen und sich einfach hinzugeben. Und siehe, es entsteht auch bei dieser Hochgeschwindigkeit ein Gefühl der Ruhe und wie bei jeder guten Kunst weiß man irgendwie nicht, warum das schön ist.