Noch bis zum 9. Juni kann man in der whiteBOX im Rahmen der Münchner Musiktheaterbiennale Clara Jannottas „Skull ark, upturned with no mast“, sehen, hören, erleben und darüber ausgiebig rätseln. Der kryptischen Arbeit gelingt es auf allen Ebenen, sich der Interpretation zu entziehen, musikalisch, gesellschaftlich, ebenso wie auch das künstleriche Ego der Urheberin Clara Jannotta verdunkelt bleibt.
Bleiben soll, denn gerade das ist ja eine bewährte Strategie, die Ikonografie des magischen Künstlers zu provozieren. Verrätselung schon im seltsamen Titel, der übersetzt so etwas heißt wie Schädelarche, gekentert ohne Mast. Unter das Motto des Festivals „Privatsache / Private Matters“ schlüpft das Konzept mit der Geschichte zweier Garnelen, die als Larven in einen Gießkannenschwamm gespült wurden und dort in der völlig artfremden Umgebung, glücklich, wie angenommen wird, aufwuchsen.
Was ist ein Gießkannenschwamm? So etwas wie die nostalgische Tropfbremse am Schnabel einer Kaffekanne? Aha, man assoziiert bereits, wenngleich auf umgelenkten Pfaden im semantischen Feld der eigenen Schädelarche. Bereits am Einlass, Besonderheiten. Nur in Fünfergruppen dürfen die Kulturadepten den Raum betreten, die Einlassdamen zelebrieren flüsternd und geleiten im Dunkel zu den Plätzen. Es gilt der Kunst? In der Tat hat die etwas heilige Betulichkeit ihren Sinn, denn das Bühnenbild (Anna Kubelik) – hier heißt es Architektur – soll nicht beim Einlass schon „verkauft“ werden.
Alles ensteht dann auch sehr langsam wie aus der Dunkelheit, die einer Schöpfung vorangeht. Links gewinnt in minimalem Licht ein Akteur Kontur, die genderkorrekte Schreibung lassen wir, wir nehmen an, es handelt sich um eine vorgeschlechtliche Phase. Gestänge wird sichtbar, einzelne Lichtpunkte, Neonröhren, elektronische Sounds, die an Geräusche der analogen Welt erinnern. Diese elektronischen Entitäten, wissen sie, dass sie an eine Schallplattennadel in einer Leerrille erinnern? Oder manchmal an eine Eisensäge in kosmischen Schwirrungen. Es passiert einfach, am ehesten ist es ein Zufallsspiel, ein stochachistes Gewabere im vormateriellen, vororganischen Zustand.
Dann sukzessive Aufhellung. Nun Akteurinnen, die als unbewegte Demiurgen im Gittergestänge stehen und möglichweise mit kleinsten Bewegungen das Geschehen steuern. Einmal sehen Mikrofone aus wie kleine Atemmasken, vielleicht sind es aber keine Mikrofone, eine Unterscheidung zwischen Live-Aktivität und Soundkonserve ist ohnehin nicht auszumachen. Theater-Kausalität verweigert. Laut Ankündigung ist dabei auch eine Tänzerin, Emma Jannotta. Das Minimalprinzip ist hier vielleicht in seiner höchsten Konsequenz: sie tanzt nämlich nicht – jedenfalls soweit wir das mit unserer analogen Wahrnehmungsauflösung beurteilen können.
Nach 45 Minuten hat es sich dann mit den glücklichen dunklen Tagen für zwei Garnelen. Ein vorsichtiger Lichtwechsel, das elektronische Schwirren ebbt ab. Die Akteurinnen neigen leicht die Köpfe. Schluss eines ersten Teils? Nein, die ersten verlassen die whiteBOX. Applaus.