Das Atelier von Ugo Dossi neben der whiteBOX präsentiert sich erstmals als Ausstellungsraum unter dem Namen ORAcle.
Arbeiten von Giampaolo di Cocco mit dem Titel „Nachtstunden“, die noch bis zum 30. April 2017 zu sehen sind, geben den Auftakt.
Ugo Dossi, international erfahren – er nahm an der Dokumenta 6 und 8 und Biennalen in Venedig, Paris, Mailand und Buenos Aires teil – hat vor, zukünftig in lockerer Reihe Freunde nach München einzuladen. Mit unter den Gästen am Eröffnungsabend war auch der ehemalige Kulturreferent der Stadt München und der erste Kulturstaatsminister der Regierung Gerhard Schröder: Julian Nida-Rümelin.
„Nachtstunden“ sind kleinere Arbeiten aus der Serie „Car-Naval“, die auch als Modelle verstanden werden könnten. Giampaolo di Cocco ist seit Ende der 80er Jahre durch seine großen permanenten Installationen der „Grandi Naufragi“ (Grosse Schiffbrüche) bekannt geworden, die in ganz Europa und in den Vereinigten Staaten an öffentlichen und privaten Orten zu sehen sind.
Seine dislozierten Wracks, aus dem Aluminium der Rollen-Offset-Drucktechnik geformt, sind technische und kriegerische Menschenbehältnisse wie U-Boote, Flugzeuge, Automobile, nachgeschaffene Geborgenheiten ohne Besatzungen. Diese finden sich in der Natur und in Fabrikruinen oder an Bunkeranlagen (Skagener Bunkermuseum, Dänemark) des 2. Weltkrieges wieder.
Über 40 solcher Installationen sind mittlerweile zu sehen, unter anderem auch im Skulpturenpark „Il Giardino“ (Toscana) von Daniel Spoerri. Ursprünglich war Daniel Spoerri Architekt, tätig als Raum- und Stadtplaner, Maler, experimenteller Filmemacher, Kameramann bei RAI, Publizist und Gründer der Zeitschrift „Abaco“ für zeitgenössische Kunst und Architektur. Er lebt und arbeitet in Köln, Berlin und Florenz und hat sein Atelier in Kunau in der Prignitz in der Mark Brandenburg. Als Universalist zeichnet den naturwissenschaftlich geprägten Künstler zusätzlich aber besonders die Auseinandersetzung mit den Mythologien und den bildlichen Chiffren der Protoantike aus.
Mesopotamien, das Land der Akkader und Babylonier, das Land zwischen Euphrat und Tigris, wurde Gegenstand seiner Forschung in Zusammenhang mit den „Car-Navals“, die im Atelier von Ugo Dossi zu sehen sind.
Das archaische Basisgefährt im Atelier von Ugo Dossi eines Car-Naval in ist ein Hybrid aus Schiff oder Boot und Wagen. Der horizontale Schnitt durch einen Schiffsrumpf der Plankenbauweise (z.b. Karavelle) wird durch eine Metall-Linse repräsentiert, getragen von Streitwagenartigen Rädern, ein anderes Mal hängt ein Nachen in solchem Vorwelt-Chassis.
In Schichtungen und Spiegelungen werden diese Gefährte bestückt und bemannt mit einer Art morphologischem Noctariums, imitierten Körpern, Puppen, Fischen, Kohlebrocken. Erd- und Wasserverzeichnisse.
Die sakralen Gefährte – sie könnten auch den zweiten Körper des Königs tragen – haben laut Giampaolo di Cocco einen Weg der Erhöhung zu (er)fahren. Nämlich den vom niederen Wasser des Euphrat zum höheren des Tigris.
Eine Erhöhung wie sie nach di Cocco auch in frühen Sequenzen der Taufe zu beobachten sei. Getaucht in das tiefere Wasser, erhöht durch das höhere Wasser von oben, das über den Kopf des Täuflings gegossen wird.
Was die katholische Kirche daraus gemacht hat? Das Vale Carne (lebe wohl, Fleisch) der Fastenzeit? Di Cocco hält das für eine der vielen religiösen Klitterungen, für rückwirkende Umredigierung. Aber vielleicht tauchen ja in lächerlicher Form die alten versunkenen in neuen Formen doch immer wieder auf. Man denkt unwillkürlich an die Prunkwägen des Karnevals. Das Ziel der Erhöhung?
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