Das Technikum ist seit seinen ersten Tagen ein gefragter Ort für Freunde der E-Musik. Bereits kurz nach der Eröffnung der neuen Musikbühne gab dort Weltstar Yo Yo Ma im Januar 2016 einen Meisterklassen-Cello-Kurs. Damals war das neue Konzerthaus gerade erst im Gespräch, allerdings schon als Favorit, in der Standortwahl für München.
Die HörBar der Münchner Symphoniker lud nun am Donnerstag, 11. April bereits zum vierten Mal zu ihrer beliebten After-Work-Klassik. Auch die Reihe „Stars & Rising Stars“ war hier bereits zu Gast. Diesmal stand unter anderem der Sommernachtstraum von Felix Mendelssohn-Bartholdy auf dem Programm. Dasselbe Werk – Mendelssohn hatte die Ouvertüre bereits mit 16 Jahren komponiert – wurde schon einmal im Auftrag des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks zusammen mit Texten des Dichters Franzobel und Schülern Münchner Gymnasien auf die Bühne des Technikums gestellt. Und dasselbe Werk schließt mit dem berühmten Hochzeitsmarsch, der bald durch die „Ehe für alle“ noch berühmter werden wird und von dem der Leiter der Dirigierklasse der Münchner Symphoniker Prof. Georg Fritzsch im Technikum sagte, das könne jeder dirigieren, gleich welchen Takt der Dilettant anschlagen würde, mehr oder weniger versehentlich. Es ging nämlich diesmal ums Dirigieren. Zusammen mit Intendantin Annette Josef führte der Lehrer des Taktstocks mit drei jungen Dirigenten und einem auch aus nächster Nähe fabelhaft präzise und weich klingenden Orchester der Münchner Symphoniker durch den Abend. Den Anfang am Pult machte Carlo Benedetto Cimento mit dem absoluten Inbegriff Beethovenscher Energie und rhythmischen Willens, der Ouvertüre des Coriolan. Eine der seltenen Aufnahmen, die er zuließ, zeigt Carlos Kleiber mit der kraftvoll suggestiven des ganzen Körpers.
Ebenso feurig, mit sehr zackigen Antizipationen der schweren Schläge, Carl Benedetto Cimento. Der Taktstock, der da wie der Griff einer Peitscher auf die Geigen schlägt, oder der Taktstock, der für Sir Colin Davis (beim BRSO 1983-92), wie er sagte, auch mal eine Angel sein könnte oder der wie eine Stricknadel in eine Instrumentengruppe sticht, um sie aufzurufen. Der Taktstock, bei Rechtshändern in der rechten Hand, ursprünglich der Taktgeber im so genannten Schlagbild. Oder ist der Taktstock die zivilere, feinere Ausgabe jener mannshohen Zeremonienstäbe, die Jean Baptiste Lully, der unter Ludwig XIV. die tragische Oper erfand, in den Boden schlug? Der solchen Stock am Ende seiner Karriere in seinen Fuß schlug und am Wundbrand verstarb? Auf jeden Fall, wie Prof. Georg Fritzsch erklärt, soll diese rechte Hand mit ihrer unverkrampften Steuerung zwischen Zeigefinger und Daumen, verschiedene Aussagen gleichzeitig machen können, zum Taktgeber im Schlagbild kehrt sie nur bei Bedarf zurück – oder sie muss Tempi verlangsamen oder anziehen, wie das gerne Furtwängler im Diminuendo oder Accelerando tat. Lange Schläge, große weiche Bewegungen zeigte die Dirigentin Yura Yang bei Claude Debussys „Danse sacrée et danse profane“. Malerisch, meditativ, weich pulsierend mit den perlenden Klängen von Lucia Stone an der Harfe. Das malerische Ineinanderfließen trotz plötzlicher Richtungswechsel wie bei einem Vogel- oder Fischschwarm, dabei aufmerksamer Kontakt zur Solistin, all das gelang wunderbar und bekam lauten Jubelapplaus. Spannungsgeladen und feurig eruptiv wurde das anschließend dann noch anhand Camille Saint-Saëns Rondo capricioso op. 28 gezeigt. Mendelssohn-Barholdy war zum Schluss als derjenige, der das moderne Dirigieren auf den Weg brachte, der würdigste Repräsentant diese Abends. Ouvertüre, Notturno, Intermezzo und Hochzeitsmarsch waren so großartig, dass man die Bewegungen von Hankeyol Yoon nicht mehr interpretieren mochte. Ganz im Klang der wunderbaren Münchner Symphoniker sah man nur noch eine perfekte Harmonie zwischen Dirigent und Orchester.
Text: Michael Wüst