Wer im Werksviertel-Mitte Richtung WERK1.4 spaziert, wird bei schönem Wetter auf Höhe des Technikum nicht selten vom Kreischen einer Säge oder Flex oder anderen typischen Geräuschen der Holz- oder Metallverarbeitung begrüßt. Verantwortlich dafür ist oft Michael Niedermair, einer der Handwerker des Viertels. Seit Jahrzehnten betreibt der gelernte Schreiner seine Artelierwerkstatt – kein Schreibfehler! – hier im Quartier.
Seine Geschichte: Seit er im Viertel ist, hat Niedermair eine kleine Odyssee hinter sich gebracht. „Zuerst war ich im WERK3“, erinnert er sich. Ein Freund hatte dort seit Anbeginn des Kunstpark Ost ein Designstudio. „Seine erste Miete lag bei einer Mark für den Quadratmeter. Logisch, dass er eine vollkommen überdimensionierte Fläche für sich in Anspruch genommen hatte.“ Als mit dem Erfolg des Kunstparks auch die Mieten stiegen, suchte ebenjener Designer einen Untermieter und fand ihn in Michael Niedermair. Als das WERK3 schließlich „revitalisiert“ werden sollte – wenn Niedermair das aus der Projektentwicklersprache stammende Wort „revitalisiert“ sagt, schwingt dabei eine herrlich sympathische Süffisanz mit – zog Niedermair mit seinem Atelier in die Zündapphalle. Bis er schließlich im Frühjahr 2024 ins neue WERK13 zog. Eigentlich eine ganz typische Werksviertel-Karriere.
In den Anfangszeiten des Kunstpark Ost war an eine solche Entwicklung noch nicht zu denken. „Meine Werkstatt lag damals genau unter dem Raum Rot.“ Der Club wurde für Niedermair nicht nur zum handwerklichen Übungsraum in Sachen Einrichtung, sondern auch zu seinem Lieblingsclub. Zum Wochenbeginn gab es auf dem Partyareal immer am meisten zu tun. „Denn wenn Du einen guten Club hattest, dann war nach dem Wochenende garantiert immer etwas auseinandergebrochen.“ Blieb dagegen alles heil, war die Party nicht wild genug gewesen. Handwerkereinsatz als Qualitätsmerkmal. Die Partys im Kunstpark Ost und später in der Kultfabrik bescherten Niedermair zum Glück ordentlich Aufträge. Unter anderem auch im legendären Tabledance, wo er an den VIP-Lounges mitwirkte. „Da konnte sogar ich noch etwas dazulernen“, lacht Niedermaier. „Oder wisst ihr etwa, was eine Champagnerrinne ist?“ Champagnerrinne? Nie gehört! Dabei handelte es sich um eine Vorrichtung, die es den Tänzerinnen in den Lounges erlaubte, georderten Champagner elegant zu entsorgen, damit sie selbst nicht zu betrunken wurden. Raffiniert. Doch diese Zeiten sind lange vorbei.
Heute baut Niedermaier stattdessen modulare nachhaltige Büroreinrichtungen, die sich komplett zurückbauen lassen oder den Biergarten im Café Kosmos, auf Garagendächer mit Photovoltaik-Solarpavillons für die Kühlung der Bierfässer, oder aber Buffets und Theken und Akustikelemente für die angesagten Lokale in München … Wie die Welt hat sich auch Michael Niedermair weiterentwickelt. Und wird das auch weiterhin tun. Als er seine neue Artelierwerkstatt in Augenschein nahm, fiel im gleich sein riesiger Balkon ins Auge. „Der ist viel zu groß für mich allein“, fand Niedermair und funktionierte
ihn zum Kulturbalkon um, auf dem er mittlerweile regelmäßig Konzerte mit kleinen Bands oder größeren Chören veranstaltet, während das Publikum im Biergarten gegenüber Platz findet. „Wäre doch schade, wenn wir diesen wunderbaren Platz nicht nutzen würden.“ Und fasst mit diesem Satz den Spirit des Werksviertel-Mitte eigentlich ganz gut zusammen.
Welcher ist Dein Lieblingsplatz in der Stadt? Der Biergarten im Café Kosmos. Und nicht nur, weil ich ihn mitgestalten durfte.
Was gefällt Dir an Deiner Stadt am meisten? Alles. Ich mag das Konzept Stadt einfach. Auf dem Land wäre es mir viel zu langweilig. Das würde mich umbringen. Ich muss das Fenster aufmachen können und dann muss da Lärm von anderen Menschen oder Autos, da muss Bewegung sein. Wäre alles still, hätte ich das Gefühl, tot zu sein. Ich brauche so ein Grundrauschen um mich herum.
Was magst Du an Deiner Stadt nicht so gern? Woran sich viele stören – sei es der Verkehr, der Lärm oder die Infrastruktur, die gerade an Grenzen stößt –, das alles gehört für mich zu einer Stadt einfach dazu.
Zu welcher Zeit bist Du am liebsten in der Stadt unterwegs? Ich finde es super, wenn ich zwischen 8 und 9 über den Viktualienmarkt und durch die Fußgängerzone radeln kann. Die Stadt erwacht gerade erst. Es ist noch nicht so viel los. Dann vielleicht noch gemütlich die Theatinerstraße hochradeln.